Unsere Leistungsgesellschaft, basierend auf individueller Anstrengung und der Bezahlung für erbrachte Arbeit ist weitgehend akzeptierte Norm. Aber steht uns dank künstlicher Intelligenz (KI) nun eine Zeitenwende bevor, etwas völlig Neues, noch nie Dagewesenes? Könnte KI unsere Art zu Leben verändern oder gar abschaffen? Werfen wir doch mal einen Blick auf die Rolle der KI und wie sie unsere Vorstellungen von Arbeit und Leistung neu definieren könnte.
Leistungsgesellschaft – der Status quo
Was früher Jahrzehnte oder Jahre dauerte, geschieht heute in Monaten oder gar Tagen. Forschung und Entwicklung werden immer rasanter. Immer schneller müssen wir uns anpassen. Denn mit den allfälligen Fortschritten in der Technologie, insbesondere durch KI und Automatisierung, können immer mehr Jobs, immer mehr Aufgaben durch Maschinen und Algorithmen übernommen werden. Die Bandbreite reicht von komplizierten Fertigungsprozessen bis hin zu komplexen Aufgaben wie Datenanalyse, Übersetzung und sogar Entscheidungsfindung – in bestimmten Bereichen zumindest. Diese Entwicklung wirft Fragen auf: Welche langfristigen Auswirkungen haben diese Entwicklungen wohl auf unsere Arbeitswelt, was bedeuten sie für die Menschen?
Im Rahmen des (noch) aktuellen Leistungsmodells wird der Wert eines Individuums oft auf die Fähigkeit reduziert, eine bestimmte Aufgabe oder Funktion auszuführen. Wenn Maschinen jedoch menschliche Arbeit ersetzen, was passiert dann mit den Menschen, die diese Arbeit zuvor ausgeführt haben?
Die Möglichkeiten von KI – vielfältig, aber nicht unendlich
Optimisten argumentieren, dass KI die Möglichkeit bietet, uns von der Leistungsgesellschaft, vom Leistungsdruck zu befreien. Wenn Maschinen die meiste Arbeit erledigen, haben Menschen möglicherweise mehr Freizeit und können sich auf andere Bereiche konzentrieren. Bereiche in denen Maschinen nicht so effektiv sind, wie etwa kreative oder soziale Tätigkeiten.
Eine Herausforderung besteht ferner darin, wie wir einen fairen und gerechten Übergang zu dieser neuen Art von Gesellschaft gestalten können. In einer Welt, in der der Wert der Arbeit nicht mehr der Haupttreiber der Gesellschaft ist, benötigen wir neue Mechanismen zur Einkommensverteilung. Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist eine Idee, die bereits diskutiert wird, aber es werden auch andere Lösungen benötigt.
Ein weiteres Problem ist die Frage, wie wir menschliches Selbstwertgefühl und Zufriedenheit in einer Welt ohne Leistungsgesellschaft aufrechterhalten können. Arbeit gibt vielen Menschen einen Sinn und ein Gefühl der Identität. Wie können wir sicherstellen, dass diese Aspekte in einer zunehmend automatisierten Welt erhalten bleiben?
Das kann der Mensch besser als die KI
Obwohl KI in vielen Bereichen enorme Fortschritte gemacht hat, gibt es immer noch grundlegende Fähigkeiten und Attribute, die den Menschen einzigartig machen und die KI (zumindest bisher) nicht nachvollziehen oder umsetzen kann. Wichtig dabei ist auch eine Schärfung des Begriffs, denn von wirklicher Intelligenz kann bei KI keine Rede sein. Die Stärke von KI liegt in der wahnsinnig schnellen Auswertung und Neuverknüpfung von vorhandenen Daten. Grenzen von KI tun sich vor allem in diesen Bereichen auf:
Kreativität: KI kann Daten analysieren und Muster erkennen, aber sie kann keine originellen, kreativen Ideen oder Konzepte erzeugen. Menschen können neue Ideen aus dem Nichts generieren und sie auf eine Art und Weise verbinden, die Maschinen (zumindest bisher) nicht können. Das „weiß“ ChatGPT und definiert „selbst“ seine Grenzen: „KI-Algorithmen wie GPT-3.5 sind in erster Linie darauf ausgelegt, auf der Grundlage von vorhandenen Daten zu lernen und Informationen zu verarbeiten. KI kann bestimmte künstlerische Stile analysieren und reproduzieren, aber die Erfindung etwa eines neuen künstlerischen Stils erfordert normalerweise menschliche Kreativität, Originalität und eine tiefe Kenntnis der Kunstgeschichte und -techniken. Insgesamt bleibt die Entwicklung von künstlerischen Stilen und Techniken ein menschlicher Bereich, in dem die einzigartige Fähigkeit des Menschen, kreative Konzepte zu erfassen und neue Ideen zu generieren, eine wichtige Rolle spielt.”
Emotionales Verständnis und Empathie: KI kann menschliche Emotionen nicht vollständig verstehen oder empathisch auf sie reagieren. Menschen besitzen die einzigartige Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, ihre Gefühle und Perspektiven zu verstehen und entsprechend zu reagieren.
Ethik und moralisches Urteilsvermögen: KI kann Entscheidungen auf der Grundlage von vorgegebenen Parametern treffen, aber sie kann nicht zwischen “richtig” und “falsch” im moralischen oder ethischen Sinne unterscheiden. Dies ist eine Fähigkeit, die stark von menschlichen Erfahrungen, Kultur und persönlichen Werten abhängt. Eine interessante Herausforderung etwa für das Autonome Fahren. Wen soll im Zweifelsfall der autonome Bolide denn umfahren – den Mann oder die Frau, das Kind oder die Oma? Und genau diese Entscheidung möchte man eben keiner KI überlassen…
Komplexe Problemlösung: Obwohl KI in der Lage ist, bestimmte Arten von Problemen zu lösen, insbesondere solche, die gut definiert sind und klare Lösungswege haben, gibt es darüberhinaus komplexe Probleme, wo Analyse eben nicht reicht, sondern bei denen menschliche Fähigkeiten wie Kreativität, kritisches Denken und ganzheitliches Verständnis entscheidend sind.
Soziale Interaktion: KI kann menschliche Sprache imitieren und einfache Interaktionen simulieren, aber sie kann eben kaum die Nuancen und Feinheiten menschlicher sozialer Interaktionen vollständig erfassen. Menschen haben die Fähigkeit, nonverbale Hinweise wie Gesichtsausdruck, Körpersprache und Tonfall zu lesen und zu interpretieren – die Mischung an Information, die für effektive menschliche Kommunikation eben entscheidend ist.
Die Rolle der KI in der Neudefinition unserer Arbeit
Wichtig: KI ist ein Werkzeug, das von Menschen entwickelt und gesteuert wird. Sie kann uns helfen, viele Aufgaben effizienter und effektiver zu erledigen, aber sie ist kein Ersatz für menschliches Urteilsvermögen, menschliche Empathie und menschliche Kreativität. Die Herausforderung und die Chance bestehen darin, Wege zu finden, wie Menschen und KI sinnvoll zusammenarbeiten können, um das Beste aus beiden Welten zu nutzen.
Klar, KI hat das Potenzial, unsere bestehende Leistungsgesellschaft zu verändern. Die Frage ist nicht, ob dies geschehen wird, sondern eher wie und wann. Wie wir uns diesen Herausforderungen stellen, wird eine entscheidende Rolle dabei spielen, wie gut wir uns die Zukunft der Arbeit gestalten.
Doch die Debatte über KI und die Leistungsgesellschaft hat gerade erst begonnen. Es ist eine spannende und unsichere Zeit, aber es ist auch eine Gelegenheit, unsere Gesellschaft zum Besseren zu verändern. Es ist an der Zeit, über das hinauszudenken, was wir kennen, und eine Zukunft zu gestalten, die allen zugutekommt.