Peking war am dritten Augustwochenende 2025 nicht nur Schauplatz einer Technikmesse, sondern einer Inszenierung von historischer Dimension. Bei den ersten „World Humanoid Robot Games“ traten über 500 Roboter aus 16 Ländern gegeneinander an. Sie sprinteten, spielten Fußball, boxten und versuchten sich an Aufgaben wie Medikamentensortierung oder Putzen. Das Bild war ambivalent: mal erstaunlich flüssige Bewegungen, mal peinliche Stürze, oft die helfende Hand des Menschen. Gerade darin liegt die Aussagekraft.
Wir haben das alles schon einmal gesehen – in einem anderen Land, in einer anderen Zeit. 1968 präsentierte Douglas Engelbart die „Mother of All Demos“, die Maus, Hypertext und kollaboratives Arbeiten. 1972 zeigte das ARPANET in Washington, dass Computer nicht nur Rechenmaschinen, sondern Kommunikationsinstrumente sind. Beide Demos waren weit davon entfernt, fehlerfrei zu laufen. Aber sie markierten den Übergang von Forschung zum Alltag. Sie setzten Standards und beschleunigten ganze Ökosysteme.
In Peking geschieht nun etwas Vergleichbares – nur mit anderem Vorzeichen. Damals in den USA: ein Zusammenspiel von Forschung, US-Behörde DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency)[1] und Industrie, bottom-up. Heute in China: eine staatlich orchestrierte Show, top-down, eingebettet in einen Fahrplan, der Humanoide bis 2027 zur industriellen Realität machen soll. Es geht nicht allein um Technik, sondern um Geopolitik, um die Botschaft: Wir sind reif, wir können es, wir führen.
Natürlich zeigt die Bühne auch Grenzen. Der vielzitierte 1.500-Meter-Lauf des Unitree H1 in sechs Minuten 34 Sekunden ist eine beachtliche Leistung für eine Maschine – aber kein Beweis für Alltagstauglichkeit. Die vielen Stürze, Aussetzer und ratlosen Momente erinnern an die DARPA Robotics Challenge von 2015, die ebenso mehr Lehrstunde als Leistungsschau war. Doch genau darum geht es: Fehler sichtbar zu machen, Daten zu sammeln, Benchmarks zu schaffen, an denen ein ganzes Feld wachsen kann.
Das darf man nicht unterschätzen. Wer Standards setzt, prägt die Richtung, in die Forschung und Industrie marschieren. Wer Daten in großer Menge erzeugt, beschleunigt das Training neuer Modelle. Wer die Lieferketten über staatliche Programme skaliert, senkt Preise und macht Komponenten zugänglich. So werden Ökosysteme gebaut.
Aber Vorsicht: Standardisierung kann auch in eine Sackgasse führen, wenn nur auf nur auf auffällige Show-Effekte und oberflächliche Kennzahlen optimiert wird. Und der Weg in den Massenmarkt ist länger, als die Inszenierung glauben macht. Robustheit, Sicherheit, Haftung – all das ist ungelöst. Dass China 2027 uneingeschränkt führen wird, ist keineswegs sicher. Stückzahlen allein reichen nicht. Offene Standards, Regulierung, Vertrauen – hier haben andere Regionen traditionell Stärken. Die kulturelle Situation etwa in Europa ist ein ganz andere als in China oder auch den USA.
Und hier kommt der Brückenschlag zu uns. Bei von Neuem beschäftigen wir uns mit derselben Frage – nur auf einer anderen Ebene. Roboter in Peking zeigen, wie Technik den Arbeitsalltag verändern könnte. Wir dagegen fragen: Wie wollen wir Arbeit überhaupt gestalten? Mit unserem Ansatz „Anders Arbeiten“, den ich mit meinem Team entwickelt habe, geht es nicht darum, Menschen durch Maschinen zu ersetzen, sondern darum, Organisationen so zu verändern, dass Technologie sinnvoll eingesetzt wird und der Mensch im Mittelpunkt bleibt. China zeigt die Kraft des Staates, ganze Ökosysteme von oben zu lenken. Wir zeigen, dass nachhaltige Innovation von innen heraus entsteht – aus Dialog, Experiment und der Bereitschaft, Arbeit neu zu denken.
Was bleibt, ist das Bild von Robotern, die stolpern und wieder aufstehen, und von einem Land, das mit Macht die Bühne sucht. Aber ebenso bleibt die Frage an uns: Welche Bühne wollen wir eröffnen? Für uns bedeutet Anders Arbeiten, die Lektionen solcher Spektakel ernst zu nehmen – und sie so zu übersetzen, dass sie für Unternehmen, Organisationen und Menschen zu einem echten Fortschritt werden.
Engelbart 1968, ARPANET 1972, Peking 2025 – Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich. Vielleicht liegt die entscheidende Pointe dieses Reims darin, dass wir uns fragen: Wollen wir Zuschauer der großen Maschinen-Shows bleiben – oder Akteure einer anderen Zukunft des Arbeitens?
[1] Agentur des US-Verteidigungsministeriums, die speziell für die Erforschung und Entwicklung neuartiger Technologien für das Militär 1958 gegründet wurde. Ihr Ziel ist es, die technologische Überlegenheit der USA zu sichern und Innovationen zu fördern, die oft auch einen großen Einfluss auf das zivile Leben haben, wie das Internet (ursprünglich ARPANET).