Bis 2022 müssen deutsche Verwaltungen alle Dienstleistungen auch online und digital zugänglich machen. Das sieht zumindest das Onlinezugangsgesetz (OZG) des Bundesministeriums des Innern (BMI) von 2017 vor. Diese geplante digitale Transformation des deutschen öffentlichen Dienstes ist auch bekannt unter E-Government. Das Ziel scheint ambitioniert, doch der damalige Kanzleramtsminister Peter Altmaier sprach sogar von der „bürgerfreundlichsten und anwenderfreundlichsten Verwaltung Europas“. 2020 fragen wir uns nun: Können wir in Deutschland schon jetzt Beispiele für eine bürgerfreundliche, digitale Verwaltung entdecken? Und gibt es etwa andere Länder, die uns mit gutem Beispiel vorangehen?
Digitale Verwaltung in Deutschland
Um das ambitionierte Ziel des OZG zu erreichen, scheint es noch ein langer Weg zu sein. Das ist die erste Feststellung, wenn man sich auf die Suche nach Erfolgsgeschichten der Digitalisierung in der deutschen öffentlichen Verwaltung macht. Aktuell besteht das verfügbare Online-Angebot der Behörden meist lediglich aus sogenannten Serviceportalen. Die werden primär dazu genutzt, Informationen über Verwaltungsdienstleistungen übersichtlich darzustellen und manchmal sogar digital ausfüllbare Antragsformulare bereitzustellen. Diese Portale legen zwar das Fundament für die digitale Interaktion mit den Behörden, der tatsächlichen Behördengang wird jedoch in der Regel noch nicht ersetzt. Um eine hohe Benutzerfreundlichkeit in der Verwaltung zu erreichen, reicht die Digitalisierung bestehender Antragsformulare aber bei weitem nicht aus. Es geht ebenso wie in der freien Wirtschaft darum, die Kunden – in diesem Fall die Bürgerinnen und Bürger – zu verstehen und ein für sie passendes Angebot zu konzipieren. Daher müssen Prozesse bestehender Verwaltungsdienstleistungen zunächst optimiert und anschließend für interne sowie externe Nutzerinnen und Nutzer digitalisiert werden.
Wie das gehen kann zeigt das Bremer Pilotprojekt „ELFE“ (Einfache Leistungen Für Eltern). Werdende Eltern können, anstatt komplizierte Papierformulare auszufüllen, ihre Daten einfach per App an die Elterngeldstelle leiten. Anschließend erhalten sie dann Geburtsurkunde, Eltern- oder Kindergeld. Dieser Service ist nicht nur in Bremen, sondern auch in Hamburg, Berlin, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen bereits verfügbar. Ein weiterer gelungener Ansatz lässt sich bei der Nutzung von Künstlicher Intelligenz in der Verwaltung erkennen: So können bei der Bürgerberatung Verwaltungsmitarbeiter durch den Einsatz von sog. Chatbots entlastet werden. Standardfragen der Bürgerinnen und Bürger können automatisiert durch den Bot beantwortet werden. Durch Bots wie Govii gelingt es, die Kommunikation zwischen den Behörden und den Bürgerinnen und Bürgern deutlich zu beschleunigen.
Digitale Verwaltung in Dänemark
Einige Nachbarländer wie etwa Dänemark scheinen jedoch schon am Ziel angekommen zu sein. Hier gehört die digitale Behördenpost schon seit 2014 zum Alltag unserer Nachbarn im Norden. Egal ob Mutterschaftsgeldzahlungen, Schul- oder Kitaanmeldungen, die Wohnsitzummeldung oder der Rentenantrag – die Däninnen und Dänen können nach dem “Once–Only”–Prinzip alles über das digitale Bürgeramt www.borger.dk erledigen.
Ziel des Once-Only-Prinzips ist es, dass Bürger und Unternehmen bestimmte Standardinformationen den Behörden und Verwaltungen nur noch einmal mitteilen müssen. Dänemark erreichte diesen Meilenstein der digitalen Verwaltung durch den 2014 verpflichtend eingeführten digitalen Behördengang für alle Bürger und Bürgerinnen. Natürlich mit Ausnahme der Bürger ohne Zugang zu Computer und Internet.
Digitale Verwaltung in Russland
Russland, das flächenmäßig größte Land der Erde, steht bei der Organisation einer effizierten Verwaltung vor einer großen Herausforderung. Nach Angaben der “Germany Trade & Invest”, der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für Außenwirtschaft und Standortmarketing (GTAI) in Moskau profitieren jedoch schon 60 % der russischen Bürgerinnen und Bürger (Stand 2018) von einem Online-Behördendienst. Russland entwickelte dafür drei einheitliche Systeme: Ein System zur Authentifizierung (ESIA) bei der Nutzung staatlicher Onlinedienste, ein Portal für alle Verwaltungsdienste (EPGU) wie der Antragsstellung, dem Einreichen von Dokumenten oder der Begleichung von Strafzetteln sowie ein System für den interbehördlichen elektronischen Austausch (SMEW). Neben dem digitalen Behördengang ist jedoch noch mehr geplant: So soll ein Konzept für ein “digitales Profil” der Bürger erarbeitet werden. Nach Zustimmung der Eigentümer können die digitalen Profildaten von Banken und kommerziellen Unternehmen eingesehen werden – etwa für eine Kreditvergabe.
Fazit:
Der Weg zur bürgerfreundlichen Verwaltung scheint noch weit entfernt. Der Nutzen der Digitalisierung ist allerdings klar zu erkennen. Damit steigt der Druck auf die Behörden, schnellstmöglich weitere digitale und anwenderfreundliche Lösungen zu entwickeln deutlich. Bürgerinnen und Bürger in Deutschland müssen sich aber noch ein wenig in Geduld üben. Klar ist jedoch: Wir werden in absehbarer Zeit in einer Welt ohne lästige Behördengänge leben – fragt sich nur wann und wie. Es bleibt spannend!