Wann haben Sie das letzte Mal Schmiergeld für öffentliche Dienstleistungen wie eine Krankenhausbehandlung oder eine Baugenehmigung bezahlt? Wenn Sie diese Frage irritiert, dann liegt das vermutlich daran, dass Korruption in Deutschland glücklicherweise relativ selten vorkommt. Global betrachtet musste jedoch jeder Fünfte in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal Bestechungsgeld zahlen, um Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen zu erhalten.
Korruption ist auch für die Wirtschaft ein großes Problem. So schätzen die Vereinten Nationen, dass beinahe jedes sechste Unternehmen mit ungerechtfertigten Zahlungsaufforderungen seitens staatlicher Stellen konfrontiert war. Korruption im Wirtschaftsbereich benachteiligt allerdings nicht nur die betroffenen Betriebe, sie stellt auch für die Gesellschaft insgesamt ein Problem dar. So erhält etwa bei öffentlichen Aufträgen nicht das beste Angebot den Zuschlag, sondern der Bieter, der am meisten dafür zahlt.
Rechtstaatlichkeit und eine starke Zivilgesellschaft sind das Fundament für ein friedliches Miteinander
Korruption ist vor allem dort ein Problem, wo rechtstaatliche Strukturen nur schwach ausgebildet sind und die Zivilgesellschaft sich nicht frei entfalten kann. Demokratische Strukturen und starke Institutionen verhindern jedoch nicht nur Korruption, sie bilden das Fundament für ein friedliches und gerechtes Miteinander. Gesellschaften, in denen die Bevölkerung an politischen Entscheidungsprozessen beteiligt ist und in denen die Justiz vor politischer Einflussnahme geschützt wird, sind erfolgreicher im Kampf gegen Gewalt, Diskriminierung, Vetternwirtschaft und organisierter Kriminalität als Länder mit schwachen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen.
Wenn Zivilgesellschaft und Rechtsstaatlichkeit in anderen Ländern wenig ausgeprägt sind oder unter Druck geraten, kann dies auch für uns zum Problem werden. Die meisten Kriege und Konflikte finden nicht zwischen, sondern innerhalb von Staaten statt. Die systematische Benachteiligung ganzer Bevölkerungsgruppen oder ausufernde Kriminalität sind Beispiele dafür, wie defekte oder schwache Institutionen Konflikte ermöglichen. Länder wie Kolumbien, Honduras oder El Salvador können etwa ihre Bürgerinnen und Bürger nur unzureichend vor Kriminalität schützen. Viele Menschen müssen deshalb ihre Heimat verlassen. Schwache Institutionen sind neben Krieg weltweit eine der wichtigsten Fluchtursachen.
Etwa ein Viertel der Weltbevölkerung lebt in Ländern, die von Konflikten betroffen sind. Doch auch in Staaten mit funktionierenden Gesellschaften können starke Institutionen Sicherheit schaffen. Umfragedaten aus 114 Ländern zeigen, dass sich im Schnitt 69 Prozent der Bevölkerung sicher oder sehr sicher fühlt, wenn sie nach Einbruch der Dunkelheit allein in ihrem Wohngebiet unterwegs ist. Frauen fühlen sich allerdings deutlich unsicherer als Männer. Sicherheit muss daher nicht nur im großen Weltmaßstab gedacht werden, sondern auch im Kleinen.
Mit starken und inklusiven Institutionen gegen Gewalt, Kriminalität und Diskriminierung
Da Frieden und Gerechtigkeit nur durch starke und inklusive, also niemanden ausgrenzende, Institutionen dauerhaft gewährleistet werden kann, sind sie Teil der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Als Ziel Nr. 16 haben sie Eingang in den Forderungskatalog für die Schaffung globaler nachhaltiger Strukturen gefunden. Konkret fordert Ziel Nr. 16, dass bis 2030 folgende Ziele erreicht werden:
- Alle Formen von Gewalt sowie damit zusammenhängende Todesopfer sollen erheblich reduziert werden
- Beendigung von Missbrauch, Ausbeutung, Menschenhandel und allen Formen von Gewalt gegen Kinder
- Förderung der Rechtsstaatlichkeit auf nationaler und internationaler Ebene sowie Gewährleistung eines gleichberechtigten Zugangs zur Justiz für alle
- Deutliche Reduzierung illegaler Finanz- und Waffenströme, verstärkte Einziehung und Rückgabe gestohlener Vermögenswerte und Bekämpfung aller Formen organisierter Kriminalität
- Erhebliche Verringerung von Korruption und Bestechung
- Aufbau effizienter, rechenschaftspflichtiger und transparenter Institutionen auf allen Ebenen
- Gewährleistung einer reaktionsfähigen, integrativen, partizipativen und repräsentativen Entscheidungsfindung auf allen Ebenen
- Ausweitung und Stärkung der Beteiligung der Entwicklungsländer an den Institutionen der Weltordnungspolitik
- Schaffung einer legalen Identität für alle, einschließlich Geburtsregistrierung
- Gewährleistung des Zugangs der Öffentlichkeit zu Informationen und Schutz der Grundfreiheiten im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und internationalen Übereinkommen
- Stärkung der einschlägigen nationalen Einrichtungen, auch durch internationale Zusammenarbeit, zum Aufbau von Kapazitäten auf allen Ebenen, insbesondere in Entwicklungsländern, zur Verhütung von Gewalt und zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität
- Förderung und Durchsetzung sowohl diskriminierungsfreier Gesetze als auch einer diskriminierungsfreien Politik für eine nachhaltige Entwicklung
Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen können einen Beitrag leisten
Deutschland hat im Vergleich mit vielen anderen Regionen der Welt sehr starke Institutionen. Zudem leben wir seit mehr als siebzig Jahren im Frieden. Dennoch sind Gerechtigkeit, Inklusion und Kriminalität Themen, die auch in unserer Gesellschaft kontrovers diskutiert werden. Deutsche Unternehmen, die international tätig sind, erleben regelmäßig, wie schwache Institutionen Korruption begünstigen und das gesellschaftliche Zusammenleben vor Ort negativ beeinflussen.
Obwohl die Agenda 2030 mit Ihrem Ziel Nr. 16 eher abstrakte Ziele definiert, können Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen einen Beitrag zu Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen leisten. Im Kleinen kann die Ausübung des Wahlrechts dazu beitragen, demokratische Kräfte zu stützen und eine inklusive und gerechte Politik zu stärken. So kann gewährleistet werden, dass auch in Deutschland ein friedliches Zusammenleben weiterhin möglich ist.
International betrachtet, können Unternehmen durch strenge Compliance-Regeln die Ziele der Agenda 2030 unterstützen. So beteiligt sich etwa die Deutsche Post AG am Kampf gegen Korruption, indem sie den Global Compact der Vereinten Nationen unterstützt. Ein Verhaltenskodex und eine Antikorruptionsrichtline sollen sicherstellen, dass alle Mitarbeitenden die Ziele und Werte des Unternehmens kennen und für das Problem der Korruption sensibilisiert sind.
Auch die Evangelische Bank leistet einen aktiven Beitrag zur Verwirklichung des Ziels Nr. 16. So hat die Bank etwa die Produktion und den Handel von Waffen und anderen Militärgütern von ihrer Kreditvergabe ausgeschlossen. Ihren eigenen Kunden ermöglicht die Bank dadurch eine nachhaltige Vermögensverwaltung, die Konflikte nicht indirekt durch Waffengeschäfte verschärft.
Fazit
Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen sind die Grundvoraussetzungen für jede funktionierende Gesellschaft und nachhaltige Entwicklung. Das Ziel Nr. 16 ist somit auch ein Fundament für die nachhaltige Umsetzung der anderen Ziele der Agenda 2030. Trotz seiner zentralen Bedeutung für das menschliche Zusammenleben sind die gesetzten Ziele sehr abstrakt. Gemeinschaften, in denen Gewalt, Diskriminierung oder Korruption eine große Rolle spielen, nehmen diese Phänomene als Missstand war. Auch wenn einige Regierungen die genannten Missstände überhaupt erst ermöglichen oder sogar aktiv befördern, so ist die Bevölkerung in der Regel äußerst unzufrieden.
Obwohl es eine klare Zielvorstellung gibt, stellt sich die Frage, was man konkret tun kann. Eine einfache Antwort gibt es hier leider nicht. Dennoch können wir Bürgerinnen und Bürger einen Beitrag leisten, indem wir unser Wahlrecht wahrnehmen. Indem wir demokratische Parteien wählen, erhalten wir unsere eigenen starken Institutionen und dienen nicht zuletzt anderen als Vorbild. Unternehmen können sich einen Verhaltenskodex geben und Geschäfte nicht länger dort machen, wo die Vergabe öffentlicher Aufträge mit Korruption und Machtmissbrauch einhergeht. Auf diese Weise leisten sie indirekt einen Beitrag zur Stärkung rechtstaatlicher Strukturen.